Koalition streitet über Praxisgebühr und Beitragssatz
Berlin (dpa) - Eine einheitliche Linie in der Koalition zum Umgang mit den Milliardenreserven der Krankenversicherung ist nicht in Sicht. Ein Vorstoß aus der CSU zum Aus für die Praxisgebühr stößt sofort auf Widerspruch.
In der Koalition ist offener Streit darüber ausgebrochen, ob die Praxisgebühr gestrichen werden soll oder besser die Krankenkassenbeiträge sinken sollen. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) stellte die Zehn-Euro-Gebühr beim Arzt zur Disposition - und erregte damit heftigen Widerspruch in den eigenen Reihen.
Söder verwies auf das erwartete Polster des Gesundheitsfonds von 12,7 Milliarden Euro bis Jahresende. "Es ist also denkbar, die Praxisgebühr abzuschaffen", sagte er der "Frankfurter Rundschau" (Dienstag). Ihre Steuerungsfunktion sei schwächer gewesen als erhofft.
Bayerns Gesundheitsminister Marcel Huber (CSU) sagte hingegen laut Mitteilung: "Wir wollen weiterhin eine verlässliche und solide Finanzierung des Gesundheitswesens." Wer die Abschaffung der Praxisgebühr fordere, müsse sage, wie er das langfristig entstehende Milliardenloch wieder schließen wolle.
Die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt sagte in Berlin: "Meine Priorität bei der Verwendung der Mittel im Gesundheitsbereich liegt eindeutig bei der Absenkung der Beitragssätze." Der Beitragssatz von derzeit 15,5 Prozent könne nach jetzigem Stand um 0,3 Prozentpunkte reduziert werden, möglicherweise noch im kommenden Jahr. Damit würden Arbeitgeber und Arbeitnehmer um rund 3 Milliarden Euro entlastet.
Der Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, Johannes Singhammer (CSU), sagte den "Stuttgarter Nachrichten": "Als Berliner CSU sind wir uns einig: Es gibt gute Gründe für die Beibehaltung der Praxisgebühr." Dem Blatt zufolge sprach sich die Arbeitsgruppe der Gesundheitspolitiker der Union einstimmig für die Beibehaltung der Praxisgebühr aus.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) lehnt den Alternativvorstoß zur Senkung des Beitragssatzes ab. "Eine kleine Senkung des Kassenbeitragssatzes würden die Bürger auf dem Lohnzettel kaum wahrnehmen, und Bürokratie wird dadurch nicht abgebaut", sagte er "Spiegel Online".
Am Freitag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Gebühr erstmals infrage gestellt, die als Verhandlungsmasse bei der Durchsetzung des von der CSU gewünschten Betreuungsgelds gilt. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn forderte ein rasches Ende des Streits. "Das muss bald mal endgültig entschieden werden", sagte er der "Rheinischen Post". Er sei dafür, die Praxisgebühr zu behalten.
FDP-Chef Philipp Rösler setzt auf eine baldige Abschaffung. "Wenn es nach der FDP geht, wird es zu Jahresbeginn 2013 keine Praxisgebühr in Deutschland mehr geben", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Rösler wandte sich dagegen, die Frage mit dem Streit über das Betreuungsgeld oder die Rente zu verknüpfen. "Die Sachfragen müssen getrennt voneinander behandelt werden."
SPD-Vize Manuela Schwesig warf der Koalition einen Kuhhandel vor. "Die Union stimmt der Abschaffung der Praxisgebühr zu, dafür soll die FDP den Weg für Frau Merkels Betreuungsgeld freimachen", sagte die Sozialministerin Mecklenburg-Vorpommerns. Das sei unseriös. Die Gebühr gehöre abgeschafft. Linke-Chef Bernd Riexinger kündigte an: "Wir setzen die Abschaffung der Praxisgebühr am 8. November auf die Tagesordnung des Bundestags und werden noch 2012 eine Abstimmung erzwingen."
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