Streit um neuen Organspende-Verdacht in München
München (dpa) - Nach den Fällen in Göttingen und Regensburg ist in der Debatte um Manipulationen bei der Vergabe von Spenderorganen nun ein Münchner Klinikum in Verdacht geraten. Der Ärztliche Direktor Reiner Gradinger räumte am Donnerstag vereinzelte Auffälligkeiten ein.
"Wir haben insbesondere Unstimmigkeiten bei Angaben zur Dialyse sowie bei Laborwerten festgestellt", sagte er. Er berief sich dabei auf den Bericht einer internen Arbeitsgruppe, die ab 6. August 163 Lebertransplantationen untersucht hatte. Hinweise auf aktive Manipulationen sieht das bayerische Wissenschaftsministerium derzeit jedoch nicht.
Die Staatsanwaltschaft in München prüft, ob ein Anfangsverdacht für eine Straftat vorliegt. Sie hat einen Gutachter eingeschaltet. Den von Ärztekammerpräsident Frank-Ulrich Montgomery gezogenen Vergleich mit Fällen in Göttingen und Regensburg wies die Behörde zurück: Die Ermittler könnten diese Aussage nach derzeitigen Feststellungen nicht bestätigen, sagte Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch.
Am Mittwochabend hatte die Bundesärztekammer in Berlin mitgeteilt: "Für das Münchner Zentrum im Klinikum Rechts der Isar bedurfte es der Einleitung einer Sonderprüfung, da hier mehrere Auffälligkeiten bestehen." Montgomery hatte daraufhin im Bayerischen Rundfunk erklärt: "Es geht in etwa in die Richtung wie in Göttingen und Regensburg." Dort soll ein Oberarzt Labordaten seiner Patienten gefälscht haben, damit diese schneller eine neue Leber bekamen.
Nähere Angaben machte die Staatsanwaltschaft nicht. Zuerst müsse der medizinische Gutachter den Fall abschließend bewerten, sagte Steinkraus-Koch. Untersucht wird auch eine Strafanzeige des Klinikums gegen Unbekannt wegen übler Nachrede. Damit wehrt sich die Klinik gegen ein anonymes Schreiben an das Wissenschaftsministerium, in dem Unregelmäßigkeiten bei Organtransplantationen angeprangert wurden. Dieses Schreiben sei eingegangen, nachdem man mit der internen Untersuchung begonnen habe, erläuterte Gradinger.
Das Krankenhaus wollte mit der internen Untersuchung auf die Vorfälle in Göttingen und Regensburg reagieren. Die Ergebnisse seien am 24. August an die Bundesärztekammer und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden. Am Donnerstag habe die Ärztekammer Fragen zu neun Transplantationsfällen zugesandt, die man nun beantworten werde, sagte Gradinger. Er betonte, dass die Klinik die Transplantationen aus eigenem Antrieb untersucht habe und nicht auf Druck von außen.
Bayerns Gesundheitsminister Marcel Huber (CSU) sagte, es bleibe das Ziel, Transparenz im System zu schaffen und Vertrauen in die Organtransplantation zurückzugewinnen. "Interne Kontrollen reichen dafür nicht aus. Bayern wird deshalb zusätzliche Kontrollen durch ein Team von Experten unter einer externen, unabhängigen Leitung einführen", erläuterte Huber. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) kündigte eine genaue Überprüfung an. "Möglicherweise gab es Verstöße gegen die Richtlinien", sagte er der "Münsterschen Zeitung" (Freitag).
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